Prolog
Wie Arbeitgeber und Arbeitnehmer von Freunden zu Gegnern wurden und wie die Kraft der Marke beide wieder versöhnen kann.
1. Akt – Sie lieben sich
Früher war eben doch alles besser, der Arbeitnehmer trat voller Demut seine neue Stelle an, die er in der Regel auch erst im gesetzten Alter wieder verließ. Dazwischen wurde er mit dezenten Beförderungen bei Laune gehalten, zur fortgeschrittenen Beruhigung wurden Kaffeevollautomaten in der Kantine aufgestellt oder in exotischen Fällen, Weihnachtsfeiern mit Leberkässemmelbergen abgehalten. Hartnäckige Fälle bekamen Dienstlimousinen und exquisite Titel auf der Visitenkarte. Im Umkehrschluss lieferten Angestellte weitestgehend zuverlässig ihre Leistung, die Gewerkschaften kümmerten sich um Rahmenverträge und moderate Kürzungen der Dienstzeiten.
2. Akt – Sie lieben sich nicht mehr ganz so sehr
Irgendwann war es mit der sorgsam austarierten Ruhe vorbei. Das Glück machte sich selbstständig und verließ sein angestammtes Territorium, der Beziehung mit Kindern und Häuschen und nistete sich im Kopf der werktätigen Bevölkerung ein, auf dass diese es dann auch in der Arbeit finden möge... Selbstverwirklichung drohte endemische Ausmaße anzunehmen, aber vorzugsweise in Randgruppen-Branchen, die gesegnet waren mit verhaltensauffälligen Mitarbeiterinnen (Werbung anyone?). Und wir reden hier wohlgemerkt von einer Zeit, in der das Wort Internet noch nicht erfunden war, die Älteren werden sich erinnern…
3. Akt – Sie werden sich doch nicht scheiden lassen?
Auftritt Millennials, Generation Y und Z. Gesegnet mit solidem Selbstbewusstsein und der beruflichen Zukunft mit großer Entspanntheit zugewandt, machten Forderungen nach überdurchschnittlicher Bezahlung, ausgeprägter Work-Life-Balance und vielleicht noch einem Meditationskurs am Abend – auf Firmenkosten natürlich – die Runde. Loyalität dem Arbeitgeber gegenüber? Mal sehen… Mehrarbeit jenseits der geregelten Arbeitszeiten in Stresssituationen? Eher nicht. Das hört man seit einiger Zeit zumindest öfter mal von verschreckten HRlern und überraschten Arbeitgebern. Sind da zwei Beziehungspartner im Laufe einer jahrzehntelangen Ehe unversehens und überraschend in eine Krise geschlittert?
4. Akt – Der Therapeut spricht
Bei aller verbaler Zuspitzung, unzulässiger, zeitlicher Verdichtung und großzügiger Verallgemeinerung – der Shift im Machtverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmerinnen ist unübersehbar. Und er ist sicher nicht nur einer neuen Generation von Berufstätigen geschuldet. Beim klassischen Recruiting reden Unternehmen immer noch viel zu oft von sich selbst und den eigenen Zielen. Allgemeine Benefits, die heute kaum mehr als Hygienefaktoren sind, werden als besondere Maßnahmen und Beweis der Wertschätzung präsentiert. Der Arbeitgebermonolog endet traditionell mit der Forderung nach Zeugnissen, Referenzen und einem detaillierten Lebenslauf.
Aber die Unkultur des „Nicht-Zuhörens“, die fehlende Fähigkeit, die Rolle des jeweils anderen einzunehmen, vergrößert die Kluft zwischen beiden Seiten nur. Niemand denkt an ein Preboarding, ein Onboarding, an eine dauerhafte Begleitung beziehungsweise auch an ein professionelles Offboarding. Eine Mitarbeiterin, die das Unternehmen verlässt, ist ein wichtiger Markenkontaktpunkt und es hat etwas mit menschlicher Wertschätzung zu tun, wie man sich trennt. Denn wie in jeder Beziehung gehören auch hier immer zwei dazu…
5. Akt - Sie könnten sich in Zukunft wieder lieben
Den Unternehmern kann man nur einen Rat geben: Sie sollen ihr Unternehmen ganzheitlich denken. Eine Identität und eine klare Strategie festlegen und diesen Weg konsequent verfolgen. Ein attraktiver Arbeitgeber ist jemand, der weiß was er will, der Selbstbewusstsein und Stärke ausstrahlt und der Mitarbeiterinnen die Chance gibt, in seinem Unternehmen zu wachsen.
Eine starke Employer Brand mit einer, von den klar definierten Markenwerten abgeleiteten Employer Value Proposition ist heute keine Option mehr, sondern ein Muss um im Markt bestehen zu können. Da ist es auch nicht relevant, ob potenzielle Bewerberinnen auf einer klassischen Karrieremesse oder mit einer ausgefeilten Gamification des Bewerbungsprozesses angesprochen werden. Die Marke und ihre Werte müssen der Kern von allem sein.
Den Mitarbeitern sollte bewusst sein, dass viele Forderungen in vielen Gegenforderungen enden können. Wer viel Geld und viel Freiheiten will, muss viel geben und Freiheit bedeutet auch immer Verantwortung. Aber laut Studien haben gerade die viel gescholtenen Millennials große Lust, in ihrem Job etwas zu bewirken.
Epilog
Marke funktioniert ohne Menschen nicht.
Wenn sich die Marken und die Menschen diesen Leitsatz an die Brust heften, dann kann die Zukunft der Beziehung von Arbeitgeber und Arbeitnehmer rosig werden.
Zuletzt aktualisiert: 21. September 2021
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